ЧЕЛОВЕЧЕСКИЕ КАЧЕСТВА




"У нас в Германии всегда была бедная культура публичных дебатов". Это слова известного немецкого политика и первого мэра Гамбурга Клауса фон Донаньи. Всякий, кто высказывает мнение, явно расходящееся с политическим и медийным мейнстримом, подвергает себя большой опасности. Так быть не должно. Не обязательно разделять чьи-то аргументы. Но отвергать их изначально, вешать на них позорный ярлык пропаганды или очернять их - всё это не на пользу демократии, которой мы так привыкли гордиться. Спорить - это как раз нормально для демократии, ведь спорить можно уважая друг друга. Но как только в обществе возникают радикальные настроения, о культуре спора можно забыть. Вот как это происходит: 

Публичные дебаты, заряженные морально и идеологически, сводятся к поляризации взглядов и в конечном итоге неизбежно приводят радикализации общества. Тот, кто уверен в своей моральной правоте, объявляет себя борцом за свою идею и использует для этой борьбы буквально все средства, ведь он считает, что делает благое дело. А тот, кто этого не понимает, автоматически выбывает из игры. Коридор мнений сузился до угрожающе малых размеров, и это касается не только российской тематики. Это означает, что в нашем по большому счету живом и открытом обществе больше нет места инакомыслию. Человек, думающий иначе, раздражает. Его лишают возможности свободно выражать свое мнение. Записывают во враги. И методично исключают из публичных дискуссий.  

Тот, кто считает себя на светлой стороне, даже и не старается объяснить, а тем более оправдать свое поведение, ведь "Со злом необходимо бороться, о чём тут еще можно говорить?"  

Akteure auf der guten Seite müssen sich überhaupt keine Mühe geben, ihr verhalten zu erklären oder gar zu rechtfertigen, denn Böses muss bekämpft werden. Was gibt es dazu diskutieren? Das Problem dabei: Zum einen sind die Dinge selten so schwarz-weiß wie sie der Einfachhalt halber oft dargestellt werden. Ein „Ja, aber“. Oder „Nein, obwohl...“ Das hat nicht mit Schwäche oder Unentschlossenheit zu tun, sondern spricht dafür, dass derjenige zur Differenzierung fähig ist und mit platten „Gut-Böse“-Schemata sich nicht zufrieden gibt. Die mit der Realität in der Regel selten etwas zu tun haben.     

Der andere Punkt, auch wenn es schwer auszuhalten ist: Moral kann niemals politische Analyse und daraus abgeleitetes kluges politisches Handeln ersetzen.  Damit plädiere ich nicht für eine Politik ohne Moral. Ganz im Gegenteil. Für mich zeichnet sich die moralische Außenpolitik zum Beispiel dadurch aus, dass man die Dinge bis zu Ende denkt, und dass man darauf achtet dass es den Menschen dient und nicht irgendwelchen Prinzipien. 

Und noch etwas: Ein Kardinalfehler in Politik und Medien besteht darin, Momentaufnahmen als Realität zu verkaufen. Realität ist immer ein Prozess. Alles hat eine Vorgeschichte.  Um Realität zu begreifen, ist es nötig, über Chronologie Bescheid zu wissen. Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln. Zumindest zu versuchen herauszufinden wer in einer Angelegenheit agiert und wer reagiert. Diese grundsätzlichen Bemerkungen wollte ich loswerden, bevor ich auf die konkrete Situation zu sprechen komme, in der wir uns mit Blick auf Russland und die Ukraine befinden.

Ich gebe zu, dass ich mich mit der Einschätzung geirrt habe, Russland würde doch niemals die Ukraine angreifen. Ich bin lange davon ausgegangen, dass der Aufbau dieser gigantischen militärischen Drohkulisse an Russlands Westgrenzen Ende des vergangenen Jahres Anfang dieses Jahres – so überzogen und riskant er sein mochte – einem einzigen Zweck diente, nämlich ernstzunehmende Verhandlungen mit dem Westen  zu erzwingen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Russland tatsächlich in die Ukraine einmarschiert. Und es macht für mich bis heute keinen Sinn, denn es widerspricht in mehrfacher Hinsicht russischen Interessen. Russland wird noch die nächsten Jahrzehnte damit beschäftigt sein,  verlässliche staatliche Strukturen zu schaffen, und seine Wirtschaft zukunftstauglich zu machen. Ein Krieg ist dabei ein ruinöser Störfaktor. Also warum das Ganze?  

Die westlichen Deutungsmuster schwanken zwischen „Putin ist krank oder verrückt“ und „Putin war schon immer ein Monster und jetzt zeigt er sich auch so.“ es widerstrebt mir als Journalist in solchen Fällen immer gleich zu einer Psychopathologisierung zu greifen - ganz gleich ob es sich um Trump oder Putin oder sonst wen handelt. Dieses eindimensionale Erklärungsmuster erscheint mir wenig hilfreich zu sein mit Blick auf potentielle Lösungen für tatsächlich vorhandene Probleme. Es ist viel interessanter, und auch zielführender, herauszufinden, was der eigentliche Auslöser des Einmarsches war. Denn er macht nicht zuletzt zu dem Zeitpunkt als er begann mit Blick auf russische Interessen nach wie vor keinen Sinn. Wenn es von vornherein die Absicht Putins gewesen wäre, wie viele jetzt behaupten, dann hätte der Überfall von vor knapp 10 Jahren stattfinden müssen. Als die Ukraine noch nicht so stark westlich aufgerüstet war. Aber jetzt? Es macht keinen Sinn… 

Im Hinterkopf sollte man vielleicht folgendes haben. 


Am 24. Februar 2021 also auf den Tag genau ein Jahr vor Kriegsbeginn hat der ukrainische Präsident Selenskyj ein Dekret erlassen, in dem er die Rückeroberung der Krim quasi angeordnet hat. Und einige zeit später begann man damit, ukrainische Streitkräfte im Süden und Osten des Landes zusammenzuziehen.  Was Russland natürlich nicht verborgen geblieben ist. Parallel dazu fanden zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee diverse NATO-Manöver statt. Und die Zahl der Aufklärungsflüge der Usa an der ukrainisch-russischen Grenze stieg nennenswert. Ich zitiere in dem Zusammenhang Harald Kujat, den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses, der hat folgendes gesagt: Die ukrainischen Streitkräfte führten unter Verstoß des Minsker Abkommens im Donbass Einsätze mit Drohnen durch, darunter mindestens einen nachgewiesenen Angriff auf ein Kraftstoffdepot in Donezk im Oktober 2021. Die Opferzahlen im Donezker und Lugansker Gebiet vor dem russischen Einmarsch durch die permanenten ukrainischen Angriffe die wurden bei uns ja eher nicht registriert. Zusätzlich muss man wissen, dass noch im November letzten Jahres die USA und die Ukraine ein Abkommen über strategische Partnerschaft geschlossen haben, in dem sowohl die NATO-Perspektive der Ukraine als auch die Rückeroberung der Krim als Ziele genannt wurden. Und im Januar dieses Jahres hat die Nato die Ukraine eingeladen, an der NATO-Agenda 2030 mitzuarbeiten. Also am Strategiepapier der NATO. Soviel zum offensichtlichen Vorlauf, der nicht zur Rechtfertigung gedacht ist, nur zur Vervollständigung des Gesamtbildes. Bitte nicht missverstehen! 

Ich denke, es lohnte die Mühe, mit allem was Journalisten an Recherchemöglichkeiten zur Verfügung steht, dieser Frage „Warum der Überfall  zu diesem Zeitpunkt?“, dieser Frage ohne ideologische Scheuklappen und ergebnisoffen nachzugehen. Entsprechende gut ausgestattete Netzwerke gibt es ja. 

Um das nochmals deutlich zu sagen. Es geht mir in keiner Weise darum, diesen Krieg zu rechtfertigen, bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. Ich halte Krieg grundsätzlich für keine Option in unserer sogenannten zivilisierten Welt. Und habe auch für diesen Krieg keinerlei Verständnis. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es gerechte Kriege gibt, mit ernstzunehmenden Argumenten auf beiden Seiten. Ich gehöre zu denjenigen, die auch sogenannt gerechte Kriege ablehnen, weil ich sie letztliche für eine Chimäre halte, die nur dazu dient, die eigene Hilflosigkeit der Menschheit zu beruhigen. In die die Menschheit immer kommen wird.  Ein gerechter Krieg tut dann eher der eigenen Seele gut.   Auch ein gerechter Krieg bringt den Menschen, um die es geht, im Zweifel eben keine Erlösung. Was ist denn mit Libyen? Was ist da mit Syrien? Was ist da mit Afghanistan? Wenn man diesen Kriegen überhaupt die Bezeichnung gerecht geben sollte. 

Aber zurück zu Russland und die Ukraine und derzeitigen Situation.

Vor gut 5 Jahren ist mein Buch Eiszeit erschienen. Und der Untertitel lautet: wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist. (warum das so gefährlich ist das sehen wir jetzt). Ich habe in diesem Buch unter anderem dargelegt, dass Russlands aggressives Verhalten aus einer strategischen Defensive heraus entstanden ist. Im übrigen belegt durch eine für diese Art von Büchern außergewöhnlich umfangreichen Anmerkungsapparat.  Wenn Sie so wollen, die Publikation genügt wissenschaftlichen Ansprüchen. Und da möchte ich Steven M. ??? zitieren, Harvard  Professor für internationale Beziehungen, der auf folgenden Sachverhalt hingewiesen hat. Er hat gesagt: Es gibt für Staaten zwei sehr unterschiedliche Gründe sich so zu verhalten, dass es für andere Staaten bedrohlich erscheint. Zum einen sind das Gier, Ruhmsucht oder Expansionsdrang aus ideologischen Gründen. Das beste Beispiel hierfür wäre Hitler. Die zweite Variante hängt mit Furcht und Unsicherheit zusammen, die Staaten so agieren lassen, dass es aggressiv aussieht und bedrohlich wirkt. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass die politische Reaktion darauf unterschiedlich ausfallen muss je nachdem worum es sich handelt. Was im ersten Fall angezeigt ist – warnen, drohen abschrecken – ist im zweiten Fall kontraproduktiv. Dass das ohnehin vorhandene Unsicherheitsgefühl verstärkt und die Reaktion noch aggressiver ausfällt. Das heißt, die Gegenseite fühlt sich noch mehr bedroht. Also die klassische Eskalationsspirale, in der wir uns schon vor dem Krieg befunden haben. Die entscheidende Frage ist und bleibt: wie geht Deutschland, wie geht der politische Westen mit Russland um? Angesichts der Tatsache, dass einerseits der Überfall auf die Ukraine inakzeptabel ist, wir aber andererseits als Nachbarn aufeinander angewiesen sind. Ich glaube, es war Egon Bahr, der Architekt der neuen deutschen Ostpolitik, der Ende der 60-er Anfang der 70-er Jahre gesagt hat: Wir können politisch alles Mögliche ändern, aber nicht die Geografie. Das ist ja auch ein Grund dafür, dass US-amerikanische Interessen zwangsläufig andere sind als europäische. Das liegt ein breiter Ozean dazwischen. (17.49)


Jetzt haben wir folgende bizarre Situation. Ausgerechnet denjenigen, die sich in der Vergangenheit für die Entspannungspolitik eingesetzt haben, wird auf breiter Front eine Mitschuld an diesem Krieg vorgeworfen. Das gipfelt in Angriffen auf unseren derzeitigen Bundespräsidenten FWS, der wegen seiner früheren Russland-Politik zu Kreuze kriechen soll und vom ukrainischen Führungspersonal nicht zuletzt vom noch ukrainischen Botschafter in Deutschland schwer erträglicherweise beleidigt wird. Mirt erschließt sich diese Logik nicht, denn es waren doch gerade die Entspannungspolitiker, die sich in den letzten 30 Jahren mit ihrer Politik eben nicht haben durchsetzen können. es waren doch gerade die Entspannungspolitiker, die immer davor gewarnt haben, Russland noch weiter in die Ecke zu treiben, russische Sicherheitsinteressen nicht ernst zu nehmen. Wie kann man die da für das jetzige Desaster mitverantwortlich machen? Und was Sicherheit und Russland betrifft, Auch Russland hat das recht auf seine Sicherheit wie jedes andere Land der Welt auch. In internationalen Verträgen mit Russland, zum Beispiel Istanbul 1999, Astana 2004 ist sogar festgeschrieben, dass sie Sicherheit des einen Landes  nicht auf Kosten der Sicherheit eines anderen Landes hergestellt werden darf. Ich werde mich jetzt nicht lange mit Schuldzuweisungen aufhalten nach dem Motto „Die Hardliner, die sind schuld!“,   und die NATO-Osterweiterer, das führt zu nichts. Aber es ist mir wichtig, diese angebliche Mitverantwortung von Entspannungspolitikern zu bezweifeln. Denn dieser Gedanke kommt in der veröffentlichen Meinung eher weniger vor. Es ist gerade mit Blick auf die Zukunft wichtig zu analysieren, warum es so weit gekommen ist. Damit man ähnliche Fehler nach Möglichkeit vermeidet. 

Montesquieu, der geschätzte Staatstheoretiker und Philosoph der Aufklärung, der hat schon damals  den Kern des Problems deutlich gemacht. Er hat sinngemäß gesagt: Man dürfe in Sachen des Krieges nicht die offensichtlichen Ursachen mit den tieferen Ursachen verwechseln. Und man dürfe diejenigen, die den Krieg ausgelöst haben, nicht mit denjenigen verwechseln, die ihn unvermeidlich gemacht haben. Und Montesquieu kann man aus ganz praktischen Gründen keine Putin-Komplizenschaft unterstellen, er ist immerhin Ende des 17. Jahrhunderts geboren. Eigentlich müsste jedem einleuchten, dass man die Ursachen kennen muss,  um die Zusammenhänge zu verstehen. Wenn man an einer funktionierenden Sicherheitsarchitektur ernsthaft interessiert ist. 

Wenn Sie bitte mal zurückdenken. Nach einer Zeit der Entspannung, der Hoffnung auf eine friedliche Weltordnung mit Gorbatschow und seiner Perestroika-Politik standen wir schon lange vor dem Krieg, vor einem großen Scherbenhaufen. Das gegenseitige Misstrauen wuchs und wuchs. Und die vorherrschende Meinung im Westen ist, dass nur Russland dafür Verantwortung trägt. Etwa durch die Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, die Intervention in die Ukraine, die Angliederung der Krim, die Modernisierung der Streitkräfte.  Aber die Sache ist wesentlich komplizierter, denn diese Sichtweise unterschlägt den westlichen Anteil, den es ja auch gibt. Das ist aber entscheidend für die Antwort auf die Frage welche Politik gegenüber Russland betrieben werden soll. Fakt ist: dass nach der Lösung der Sowjetunion russische Interessen entweder nicht ernst genommen oder gleich als illegitim beiseite geschoben worden sind.  Man hat Wladimir Putin in seiner ersten Amtszeit mit seinen vielfältigen Versuchen auflaufen lassen, die Verbindungen mit dem Westen zu stärken. Das wollen viele heute nicht mehr wahrhaben, aber das lässt sich im Einzelnen belegen. Darüber gibt es nichts zu streiten. 

Gleichzeitig hat die NATO ihre Politik durchgezogen. Wobei Deutschland immer wieder mäßigend gewirkt hat sehr zum Ärger Washingtons und seiner osteuropäischen Verbündeten. Die NATO-Osterweiterung war einer der größten Fehler nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Das hat unter anderem der langjährige deutsche Außenminister Hans Dietrich Genscher so gesehen. Und was vielleicht noch aussagekräftiger ist, selbst George Cannon, im Grunde der Architekt der amerikanischen Eindämmungspolitik, der hat gesagt „Ich denke, das ist ein tragischer Fehler. Es gab überhaupt keinen Grund dafür. Niemand bedrohte irgendjemanden.“ Und etwas weiter heißt es bei ihm „Natürlich wird es darauf zukünftig eine böse Reaktion durch Russland geben. Und dann werden sie,  die NATO-Erweiterer sagen: So sind die Russen. Das haben wir euch immer gesagt. Aber das ist komplett falsch.“

Mit der NATO-Perspektive für die Ukraine war dann die Schmerzgrenze für Russland überschritten.  Das Tragische daran: Der Krieg war erst paar tage lang, als sich der ukrainische Präsident öffentlich     äußerte, man könne sich einen neutralen Status der Ukraine vorstellen. Das hätte man vorher haben können. 

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle gerne eine Passage aus „Eiszeit“ zur Kenntnis bringen, wegen der Authentizität. „Die gegenwärtige Strategie der NATO beruht darauf, einer russischen Politik, die als expansiv wahrgenommen wird, mit Stärke entgegenzutreten. Wenn die NATO Schwäche zeigt, fühlt sich Putin dagegen ermutigt, die baltischen Staaten anzugreifen. Dann muss die NATO Krieg führen und die Kosten sind viel höher als jetzt für die erhöhte militärische Präsenz. Das mag für manche logisch klingen, doch diese Politik beruht auf einer dramatischen Fehleinschätzung. Wie bereits ausführlich dargelegt, verfolgt Russland keine aggressive Expansionspolitik, sondern handelt aus einer strategischen Defensive heraus.  Russland will sich gegen eine Politik der NATO verteidigen, die es als aggressiv wahrnimmt. Es sieht den Westen nicht mehr als Partner und misstraut seinen Motiven. Wenn man so will. Moskau versucht aus einer Position der Schwäche heraus seine Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen. Dazu dienen die Modernisierung des Militärs, die Aufrüstung der Enklave Kaliningrad, die Übungen wie Sapad 2017, bei der eine Invasion der NATO in Weißrussland angenommen wird sowie die Modernisierung der Nuklearstreitkräfte und der U-Boot-Flotte, um die Zweitschlagkapazität zu sichern. Genau wie zu Zeiten Reagans belauern sich beide Seiten misstrauisch und schließen nicht aus, dass der Gegner de Finger am Abzug hat. Wie kommt man aus dieser gefährlichen Situation wieder heraus? Jedenfalls nicht durch eine Politik der Stärke, die alles immer nur noch schlimmer macht.  Dringend nötig hingegen ist eine Politik der Entspannung und der Vertrauensbildung. Wenn die Eskalationsspirale sich immer schneller dreht und kaum noch Vertrauen übrig ist,  muss sich eine Seite bewegen, um den Teufelskreis zu durchbrechen. In der Vergangenheit ist es gar nicht so selten Russland gewesen. John f. Kennedy hätte es in der Kuba-Krise auf den Atomkrieg ankommen lassen, um keine Schwäche zu zeigen. Hätte der Kreml unter Chruschtschow nicht nachgegeben, sähe die Welt heute sicherlich ganz anders aus. Und auch Reagan hatte das Glück seit 1985 mit Michail Gorbatschow einen Gegenspieler zu haben, der bereit war, auf Gewaltanwendung zu verzichten und das sowjetische Imperium friedlich aufzugeben. Das war ein historisch nahezu einmaliger Vorgang. Wollen wir wirklich darauf vertrauen, dass auch diesmal wieder irgendwie alles gut geht? Nehmen wir an, Putin würde entsprechende erste Schritte auf den Westen zu unternehmen. Wären wir überhaupt noch in der Lage, sie als solche zu erkennen? Und gibt nicht normalerweise der Klügere nach? Wir halten uns doch eindeutig für die Klügeren, die moralisch Überlegenen. Oder nicht? Dann müssten die Schritte zur Entspannung eigentlich vom Westen ausgehen. Zumal er in den letzten Jahren agiert hat, während Russland reagierte. Da Sie ja den Vorlauf bis zur diesen Stelle im Buch nicht kennen, und vielleicht etwas irritiert sind, wenn ich von strategischen Defensive und vom reaktiven verhalten Russlands rede, möchte ich jetzt mit ein paar Falschbehauptungen aufräumen, die es bis in höchste Kreise geschafft haben  und die in den Medien- aus welchen Gründen auch immer – gebetsmühlenartig wiederholt werden. 

Dazu gehört die Behauptung, Russland habe Georgien überfallen. Der Georgien-Krieg 2008 sei also durch russische Aggression ausgelöst worden. Das ist definitiv nicht der Fall, wie man in den entsprechenden Dokumenten der Fact Finding Mission nachlesen kann. Das ist ein Papier, das im Auftrag der EU entstanden ist unter der Federführung der Schweizer Diplomatin Heidi Taviarini. Georgien war der Aggressor.  Und Russland hat zurückgeschlagen. Aber unbeirrt wird der Georgien-Krieg als Beispiel für russische Aggression genannt. Nach dem Motto: Na da haben die das ja auch schon so gemacht. Für mich ist unfassbar, dass es auch hochrangige Experten wie etwa  die frühere NATO-Planungschefin Steffani Babst die immer wieder um ihre Einschätzung gefragt wird, dass es auch hochrangige Experten mit –- Überzeugung ständig wiederholen. Fakt ist, dass Georgien angegriffen hat. Und nicht umgekehrt. Es hatte schon 2004 und 2006 militärische Operationen der Georgier gegeben. Und der UN-Sicherheitsrat hat daraufhin sogar eine Resolution verabschiedet, mit der Aufforderung an Georgien, solches künftig zu unterlassen. Und wie paradox    es hin und wieder zugeht,   das mögen sie daraus ersehen, dass es Phasen gab, in denen ausgerechnet der amerikanische Botschafter in Georgien damit beschäftigt war, den dortigen Präsidenten von allzu groben Provokationen gegen Russland abzuhalten. Denn die USA brauchten Russland wegen diverser anderer Probleme auf der Welt eben irgendwie doch. 

Die Chronologie der ganzen Geschichte habe ich unter Berufung auf deklassifizierte Akten und gelegte Emails ausführlich beschrieben. Innerhalb von 3 Tagen gab es jedenfalls 800 zivile Opfer.

Oder nehmen Sie Syrien. Nicht auszudenken was Syrien vermutlich alles erspart geblieben wäre, wenn man Russland gleich zu Beginn der Unruhen ins Boot geholt hätte. Aber das westliche Mantra lautete ja schlicht: Assad muss weg. Und geredet wird nur mit der Opposition, die es so nie gab. Das tragische und infame bei Syrien besteht in folgendem: Dieser hochkomplizierte Konflikt in dieser hochkomplizierten Gegend    wurde auf eine einfache moralische Aussage reduziert:  Assad ist ein Verbrecher. Die Russen wollen Assad unterstützen, sind also auch nicht besser als der. Und wir wollen das syrische Volk befreien. Aber wenn man das so macht, dann hat man eine völlig irreale Konfliktlinie, die weder der Realität entspricht noch den Menschen in Syrien irgendeinen Vorteil gebracht hat, ganz im Gegenteil. Dabei wird ja ständig mit Menschenrechten und dem Wohl von Menschen argumentiert. Wenn es wirklich darum ginge,  dann hätte man die Kontakte Russlands zu Syrien nutzen müssen, statt sie von vorn herein zu verteufeln. 

Hat nur irgendjemand auf dem Schirm, dass die  Vernichtung chemischer Kampfstoffe in Syrien nur mit Hilfe Russlands funktioniert hat? Man vergisst das alles so schnell. Wir standen Stunden vor einem amerikanischen Militärschlag, weil Obama damals eine von diesen roten Linien gezogen hatte. Und dann hat Assad plötzlich und unerwartet die Chemiewaffen-Konvention unterschrieben und dem Abtransport und der Vernichtung der Waffen zugestimmt. Was ja teilweise auf amerikanischen Schiffen im Mittelmeer dann auch passiert ist. Ohne Russland hätte sich da gar nichts bewegt. Diese Dinge sind schnell vergessen. Diese Dinge produzieren ja auch keine eindringlichen Bilder. Die Hölle von Allepo schon. Der Kampf um Allepo wird Russland noch lange nachhängen. Und anhängen. Ich will das weder in die eine noch in die andere Richtung kommentieren. Aber haben Sie die grauenvollen Ereignisse in Rakka genauso in Erinnerung wie in Alleppo? Und die durch den Sturm auf Mossul im Nordirak? Oder geht das nicht so tief? Weil wir als Alliierte der USA indirekt beteiligt waren… 

Laut der britischen Zeitschrift The Independant hat dieser Sturm auf Mossul 40 000 Zivilisten das Leben gekostet. Hin und wieder schützt eine Selbstreflexion vor Radikalisierung 


Zurück zu Russland und zu Ukraine. Es scheint mir wichtig zu wissen, dass das Gebiet der heutigen Ukraine nie ausschließlich von Menschen bewohnt wurde, die sich als Ukraine begriffen. Aufgrund der geografischen Lage und der wechselvollen Geschichte dieses Gebietes gab es dort immer starke ethnische und auch religiöse Minderheiten. Seien es Russen, Polen, Deutsche; Rumänen, Tschechen oder Juden und Muslime. Als die Sowjetunion entstand, existierte eine westukrainische Volksrepublik, auf dem ehemals habsburgischen Territorium nach dem Zusammenbruch von Österreich–Ungarn, und eine ukrainische Volksrepublik aus der Konkursmasse des Russischen Reiches. Beide Republiken wurden in dieser Zeit sowohl von der im Entstehen begriffenen  Sowjetunion als auch von Ländern wie Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei bedrängt. Der größere Teil der heutigen Ukraine wurde dann im Dezember 1922 zu Sowjetrepublik.  Die Ukraine, wie wir sie heute kennen, existiert seit 1991. also gut 30 Jahre. Ein Problem der ukrainischen Identität besteht darin, dass der Ukraine „eine historische Kontinuität der Staatlichkeit fehlt.“ Diese treffende Formulierung stammt nicht von mir, sondern aus einem Artikel, den ich neulich in diesem Zusammenhang gelesen habe. Die vielfältigen Zugehörigkeiten und damit verbundenen vielfältigen Beziehungen zu unterschiedlichen Nachbarstaaten machen es grade hochgradig kompliziert. Das hat ja nichts damit zu tun, der Ukraine ihr Existenzrecht abzusprechen. Die Dinge sind nur nicht so platt, wie sie hin und wieder in politischen Auseinandersetzungen zu sein scheinen. Es gibt nicht nur die Wahl zwischen zwei Extremen – entweder der Ukraine ihr Existenzrecht abzusprechen oder andererseits so zu tun, als handele es sich um einen monolithischen Block ohne Fliehkräfte. Wenn innerhalb der Ukraine nach der Auflösung der Sowjetunion eine Dezentralisierung gelungen wäre, die den historischen Entwicklungen Rechnung getragen hätte, und dieses Land seine Rolle als Brücke zwischen West und Ost hätte spielen könne, es wäre sicher nicht zum Schaden der Ukraine  gewesen, ganz im Gegenteil. Wenn Sie jetzt einwenden wollen,  hätte hätte hätte das bringt nichts – ganz so ist es nicht. Denn eine unaufgeregte Analyse der Vergangenheit ist die unbedingte Voraussetzung für eine friedliche Perspektive. Diese Dinge zu ignorieren führt zu Geschichtsklitterung als Basis für Radikalisierung. Und damit ist niemandem gedient. Am allerwenigsten den Menschen in der Ukraine.  

Dreh- und Angelpunkt in der derzeitigen Diskussion sind Begriffe wie Sicherheitsarchitektur und Sicherheitsinteressen. Ich lasse die USA jetzt mal außen vor und schaue auf die EU. Man muss leider feststellen, dass es der EU nicht gelungen ist, den historisch verständlichen Ängsten von Polen und Balten auf der einen Seite und den historisch verständlichen Ängsten Russlands mit einer konstruktiven Politik zu begegnen, die Interessenausgleich und Friedenssicherung als Ziel hat. Wir haben uns durch die Aufnahme der osteuropäischen Länder in die EU deren Probleme mit Russland ins Bündnis geholt. Und in der NATO haben wir genau das gleiche. Es ist ein Jammer, dass sich die EU ihr ursprünglich recht gutes Verhältnis mit Russland dadurch ruiniert hat. Denn Moskau funktioniert für die genanten Länder nach wie vor als Synonym für Sowjetunion. Und schlimme Erinnerungen an sowjetische Zeiten. Aber so macht man keine zukunftsorientierte Friedenspolitik. Das hätte der EU vielleicht früher auffallen können. Stattdessen hat sie ausgerechnet diesen Ländern immer mehr das Sagen in der europäischen Außenpolitik gegenüber Russland überlassen. Es sind neben den USA genau diese Länder, die in der Vergangenheit auch lange vor dem Krieg am heftigsten nach Sanktionen verlangt und einer Konfrontationspolitik mit Russland immer den Vorzug gegeben haben. Wie groß der schädliche Einfluss ist, lässt sich gut an folgendem Beispiel zeigen. Im vergangenen Herbst haben die damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emanuel Macron gemeinsam vorgeschlagen, immerhin die Chefs der beiden mächtigsten EU-Länder, sich auf EU-Ebene mit dem russischen Präsidenten zu treffen. Es gab ja wahrlich einiges zu besprechen und zu klären. Das Timing stimmte, denn kurz zuvor hatten sich der amerikanische Präsident Biden und Putin in Genf getroffen. Die USA hätten also nichts dagegen haben können nach dem Motto keine europäischen Alleingänge. Vor denen die Transatlantiker immer warnen. Also perfektes Timing. Alle stimmte. Und das ganze scheitert daran, dass eine wirklich kleine Minderheit in der EU diesen Plan ablehnt und die Idee blockiert. Ich will ie Frage stellen dürfen ohne sie beantworten zu müssen. Wie steht es denn da um die Mitverantwortung mit Blick auf den Krieg in der Ukraine? Nur um den Denkhorizont zu erweitern. 

Noch ein Wort zu persönlichen Gesprächen beziehungsweise zur Ablehnung oder Verweigerung derselben. Meiner Meinung nach sollte überhaupt alles an Dialogforen was es gibt was aber zum Teil seit Jahren lange vor dem Krieg auf Eis liegt wieder aktiviert werden. Und ich möchte erklären wieso. Diejenigen, mit denen man sich gut versteht (39:45)





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